Ruf des Meeres
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Wie oft kam ich zu diesem Steg,
faszinierend blaues Locken -
unendlich weit ist dieser Weg,
sei er nun naß oder trocken.
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Einsamkeit zieht in die Länge,
all´die vielen kleinen Schritte -
unsichtbare, starke Stränge,
zieh´n mich bis zur Stegesmitte.
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Bis jetzt hab´ich widerstanden,
den Sirenen nach zu folgen -
doch ich lieg´in ihren Banden,
wenn sich spiegeln deine Wolken.
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Trügerische Oberfläche,
und die unbekannten Tiefen -
wenn dein Mißbrauch sich nun räche,
während wir hier oben schliefen?
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Verschmutztes Lebenselixier,
immer noch gibst du uns Nahrung -
Bedürfnis schlägt hart um zur Gier,
niemand hört die leise Warnung.
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Ohne dich gibt es kein Leben,
auf dieser großen weiten Welt -
meines würde ich dir geben,
wenn auch das kleinste Opfer zählt.
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Dein Anblick ist so wandelbar,
wie ein bunter Regenbogen -
erst düstertrüb dann sonnenklar,
vieles hast du aufgesogen.
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Fern hör´ich die Wale singen,
unter mir ein zartes Gluckern -
seh´wie die Delphine springen,
und erspüre dumpfes Tuckern.
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Vor mir liegst du jetzt gebändigt,
still und ruhig ist der Wellengang -
so viel hast du ausgehändigt,
genau so groß war auch dein Fang.
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Bittersalzig deine Tropfen,
das Leben kam von dir doch her -
den Tod höre ich stets klopfen,
für mich und dich, endloses Meer!
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(Elisabeth Rosing)